Kreative Spuren in der Kindermühle

Wenn Kinder die Farbe tanzen lassen

Ein leises Murmeln, hier und da ein Pinselstreichen – im Malraum liegt eine fast andächtige Stimmung. Kinder im Alter von vier bis sechs Jahren stehen konzentriert vor großen weißen Blättern, ganz vertieft in ihre eigenen Farbwelten. Es wird getupft, gepinselt, gestrichen – jedes Bild ein kleines Abenteuer auf Papier. Und mittendrin, ganz leise, ganz präsent: Eva Hoffmann.

Begleitung statt Belehrung

Die gelernte Elementarpädagogin versteht sich nicht als Lehrerin, sondern als Unterstützerin. „Ich gebe keine Vorgaben“, sagt sie mit einem ruhigen Lächeln. „Ich bin einfach da – wasche Pinsel aus, reiche ein neues Blatt, hänge die fertigen Werke zum Trocknen auf. Ich begleite – aber der kreative Weg gehört den Kindern selbst.“ Evas Grundprinzip ist ebenso klar wie konsequent: gutes Material, selbstbestimmtes Malen, bewertungs- und belehrungsfrei. Dieser Ansatz zieht sich durch jedes Detail – vom Raum bis zur Rolle der Erwachsenen. Denn: Was Kinder hier erleben, ist kein Bastelprogramm. Es ist Kunstpraxis und für die allermeisten Kinder ihre erste Erfahrung in ästhetischer Bildung. Der Prozess steht dabei im Vordergrund.

„Sanft-mutig“ und frei: Der kreative Prozess

Einmal pro Woche holt Eva die Kinder in ihren Gruppenräumen ab – es ist Maltag. Dann geht es eine Etage tiefer in den Malraum. Zunächst gibt es eine kurze Einführung in das Material. Dann beginnt „das Rendezvous mit dem inneren Gestalter bzw. der inneren Gestalterin“, wie Eva es nennt. Der Raum selbst ist mit Bedacht gestaltet: An den Wänden hängen 50 x 70 cm große weiße Blätter. In der Mitte steht eine lange Palette mit geschmeidiger Gouache-Farbe. Neben jeder Farbschale liegen ein dicker und ein dünner Pinsel, dazu ein Glas Wasser – alles griffbereit, übersichtlich, einladend. Ein Arrangement, das Ruhe ausstrahlt und zugleich zum Tun ermutigt. „Sanft-mutig“ nennt Eva die Malweise der Kinder. „Jede Idee beginnt leise, vorsichtig – und sie dann in Farbe sichtbar zu machen, ist mutig.“ Deshalb ist dieser Raum nicht nur ein Malraum, sondern ein Schutzraum. Ein Ort, in dem sich Kinder mit ihrem eigenen ästhetischen Empfinden verbinden dürfen. Ohne Korrektur, ohne Erwartung – aber mit hochwertigen Materialien und auf Augenhöhe begleitet.

Ein fester Platz im Kita-Alltag

Das Projekt „Kreative Spuren – Faszination Farbe“ ist eine Kooperation zwischen Eva Hoffmann und der Kita Kindermühle. Seit dem Winter 2023/2024 ist das Projekt Teil des Kitaalltags, inzwischen geht es in die wiederholte Runde. „Wir müssen keine langen Wege in Kauf nehmen“, sagt Melanie Feil, Leiterin der Kita. „Der Malraum liegt eine Etage tiefer, das ist für unsere Abläufe perfekt. Und für die Kinder ist es wie ein kleines Ritual: runtergehen, ankommen, loslegen.“ Auch die Kita-Mitarbeitenden sind aktiv eingebunden, tauschen sich regelmäßig mit Eva aus und lassen Impulse aus dem Malraum in die pädagogische Arbeit einfließen. Und die Eltern? Auch sie sind willkommen – ganz niedrigschwellig. Bei Malraumbesuchen dürfen sie erleben, was ihre Kinder geschaffen haben, Fragen stellen, mitmachen, staunen – und oft ein Stück Inspiration mit nach Hause nehmen. „Es geht nicht darum, Kunst zu erklären“, sagt Eva. „Sondern darum, gemeinsam Räume zu schaffen, in denen sich Kreativität entfalten darf – bei den Kindern und bei uns allen.“

Kultur von Anfang an

Finanziert wird das Projekt vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen. Die Förderinitiative verfolgt ein klares Ziel: Mehr Kunst in Kitas – und mehr Künstlerinnen und Künstler in Kontakt mit Kindern. Die Kinder bekommen dadurch einen authentischen Zugang zur künstlerisch-ästhetischen Praxis – als kleine Künstlerinnen und Künstler.

Mehr als Farbe auf Papier

In der Kindermühle zeigt sich, was daraus entstehen kann: ein kreativer Raum voller Vertrauen, Farbe und Freiheit. Wer ihn verlässt, nimmt mehr mit als ein Bild in der Hand. Vielleicht eine Idee, vielleicht ein bisschen Mut – und ganz sicher: eine leise Erinnerung an das erste eigene „Rendezvous mit der inneren Gestalterin oder dem inneren Gestalter“.

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